Worum es geht



„Bad news are good news“, heißt es im Nachrichtengeschäft. Tatsächlich stoßen Meldungen über Naturkatastrophen, Kriege, Terrorakte, korrupte Politiker, skrupellose Unternehmen, ökonomische und ökologische Krisen stets auf überwältigende Resonanz. Positive Nachrichten hingegen werden in der Öffentlichkeit kaum wahrgenommen. Der Zukunftsforscher Robert Jungk wollte dies vor einigen Jahrzehnten ändern. Er schlug eine „Good-News-Agentur“ vor, die über die Fortschritte der Menschheit berichten sollte, stieß damit jedoch auf taube Ohren.

Dies ist vor allem deshalb merkwürdig, weil im Verlauf der kulturellen Evolution tatsächlich bemerkenswerte Fortschritte auf allen Gebieten der Wissenschaft, Technik, Medizin, Kunst und Ethik erzielt werden konnten. Man braucht sich nur vor Augen zu halten, wo die Menschheit noch Anfang des 20. Jahrhunderts stand: Sie wusste noch nichts vom Urknall, von fremden Galaxien und schwarzen Löchern, von der Kontinentalverschiebung, den Vorgängen im Atom und in der Sonne, sie ahnte noch nichts von der Bedeutung der DNA, den neuronalen Grundlagen des Bewusstseins und schon gar nichts von den Möglichkeiten des Fernsehens, Computers oder Internets. 

Ihre medizinischen Kenntnisse waren noch so begrenzt, dass schon kleinste Schnittverletzungen den Tod bedeuten konnten. Und auch auf dem Gebiet der Kunst war die Menschheit im Jahr 1900 noch um vieles ärmer: Ein Großteil der Musikstile, die wir heute schätzen, war noch nicht entstanden, etliche Meilensteine der Literatur waren noch nicht geschrieben, Meisterwerke der Bildenden Kunst noch nicht geschaffen, von den großartigen Schöpfungen der Filmkunst ganz zu schweigen. 

Auch in ethisch-politischer Hinsicht lebten die Menschen damals noch in einem völlig anderen Zeitalter: Es gab kaum Demokratien und die wenigen demokratischen Länder gewährten den Frauen kein Wahlrecht, Minderheiten wurden rigoros verfolgt, Lesben und Schwule diskriminiert, Kinder gezüchtigt, Rassismus und Chauvinismus boomten und der Krieg wurde von Bevölkerungsmehrheiten mit solchem Enthusiasmus begrüßt, als handele es sich um ein internationales Sportereignis. (Dabei mag durchaus eine Rolle gespielt haben, dass es solche Sportereignisse noch gar nicht gab: Zwar hatten die ersten Olympischen Sommerspiele der Neuzeit bereits 1896 in Athen stattgefunden, aber erst mit der Entstehung der elektronischen Massenmedien rückten sie ins öffentliche Bewusstsein.)

Es ist kaum zu leugnen, dass sich in den letzten 100 bis 150 Jahren auf dem Feld der kulturellen Evolution mehr getan hat als in den 10.000 Jahren der menschlichen Zivilisationsgeschichte zusammengenommen. Wie es weitergehen wird, weiß natürlich niemand zu sagen, aber es gibt starke Anzeichen dafür, dass sich der positive zivilisatorische Entwicklungstrend der letzten Jahre weiter fortsetzen wird. Dies aufzuzeigen, ist Anliegen des Buchs „Hoffnung Mensch“ und auch dieses Blogs. 

Dabei geht es selbstverständlich nicht darum, die vielfältigen Probleme, mit denen wir auf globaler und lokaler Ebene zu kämpfen haben, in irgendeiner Weise zu verdrängen. Im Gegenteil: Nur wer sich den Problemen stellt, wird sie bewältigen können! Jedoch wäre es fatal, wenn wir uns nur auf die Dinge konzentrieren würden, die in der Welt noch immer so schrecklich schieflaufen. Wir sollten uns ebenso klar vor Augen führen, wie viel Irrsinn, wie viel Grausamkeit, wie viel Elend die Menschheit auf ihrem Weg durch die Geschichte schon hinter sich gelassen hat. Denn wer nur die Übel fokussiert, die heute existieren, ohne zu begreifen, dass einige sehr viel schwerwiegendere Übel im Verlauf der kulturellen Evolution bereits erfolgreich beseitigt wurden, wird schnell die entscheidende Ressource verlieren, die für die Lösung der globalen Probleme unbedingt erforderlich ist, nämlich den Glauben an den Menschheit.